Freitag, 23. Januar 2015

Bein zeigen an Karneval!

Die Zeit des Straßenkarnevals naht. Vor allem im Rheinland heißt es bald: mitmachen oder sich verkriechen. Doch für Skin Picker, die sich im Alltag meist verkriechen, kann Karneval eine der seltenen Gelegenheiten sein, raus zu gehen und im hellen Tageslicht zu feiern. 

Das ist mir letztens aufgefallen, als ich ein Kostüm für Halloween suchte. In einem Geschäft für Karnevalsbedarf - das ebenso auf Halloween spezialisiert ist - entdeckte ich dies: blutbeschmierte weiße Strümpfe, die bis übers Knie reichen! 

Nylonstrümpfe "Bloody" - damit kann ein Skin Picker zu Karneval Bein zeigen! Bild: Bäumer
An Karneval schlüpfen viele in Verkleidungen, die etwas darstellen, das sie gar nicht sind. Dabei wird das Dargestellte zugleich parodiert. Beispiel: Ein Mann verkleidet sich nicht als normale Frau, sondern gleich besonders sexy als Vamp. Oder eine Frau geht nicht nur als Krankenschwester, sondern als "sexy Krankenschwester des Grauens", zeigt viel Haut und Blut. 

Die saisonal bedingte Verrücktheit gibt mir die Gelegenheit, mich als Skin Pickerin zu verkleiden - es dabei aber gleich so zu übertreiben, dass niemand auf die Idee kommen würde, in dem Kostüm stecke ein "wahrer Kern". Also nicht nur die blutbetropften Strümpfe anziehen, sondern gleich alles mit Theaterblut zuschmieren: Kittel, Gesicht, alles. Und wer noch eine dicke Thermostrumpfhose drunterzieht, feiert auch bei klimatischen Kapriolen draußen ganz entspannt. Dazu noch ein paar Pflaster über die Aufmachung drapieren und die Finger in Baumwoll-Handschuhe stecken - so wie man es sonst tut, um sich vom Knibbeln abzuhalten.

An diesem Freudentag entfällt endlich das stundenlange Schminken vor dem Spiegel. Rote Stellen und Wunden dürfen heute bleiben! Sie werden sogar extra betont: Die Haut, ohnehin blass wegen des Mangels an Sonne, tünche ich weiß. Dann male ich mir rote Tropfen und Rinnsale ins Gesicht wie ein Vampir, der beim Bluttrinken geschlabbert hat. Oder male mir klaffende Schrunden wie ein Zombie, der zu Lebzeiten einem Messeranschlag zum Opfer gefallen ist. Da fallen die echten Wunden kaum noch auf.

An solchen Kostümierungen habe ich meine klammheimliche Freude. Während des Feierns lässt sich unbeschwert und völlig angstfrei dieses Paradoxon genießen: Indem ich mein Innerstes nach außen kehre, es sozusagen als Plakatwand vor mir hertrage, wird es für die anderen völlig unsichtbar. So kann ich einen Teil meines Ich zu zeigen, der sonst immer verborgen bleiben muss.

Und wenn jemand fragt, was mein Kostüm darstellen soll? Ach egal, da antworte ich einfach irgendetwas: "eine Horrorfigur", "einen Vampir", "einen Zombie" oder was auch immer. Denn im Karneval darf ich nach Herzenslust hässlich sein.

Permalink dieses Beitrags: http://meine-haut.blogspot.com/2015/01/karneval.html

2 Kommentare:

  1. Wunderbarer Post, der einfach einen hundertprozentigen Wahrheitsgehalt hat! Du hast mich damit auch auf die Idee gebracht, das selbst vielleicht mal umzusetzen. :)

    AntwortenLöschen