Dienstag, 27. Juni 2017

Acceptance- und Commitment-Therapie: Leb dein Leben!

Liebe Leute,

hier kommt er, der versprochene Artikel zur Acceptance- und Commitment-Therapie (Act). Johanna Schriefer und Anna Rotthaus hielten den Vortrag im Mai bei einem Selbsthilfegruppen-Bundestreffen. Sie beziehen sich auf die Anwendung von Act bei Zwangskranken, aber einiges davon lässt sich sehr gut auf Skin Picker übertragen. Oder - was meinst du?

Sanft nimmt Johanna Schriefer die Hand einer Patientin in ihre. „Schau auf deine Hand. Was ist kleiner, dein Finger oder die Hand?“ - „Der Finger natürlich“, antwortet die Frau. Was für eine verrückte Frage! Doch sie ist in Wirklichkeit der Anfang einer Übung, die zur Acceptance- und Commitment-Therapie (Act) gehört. Zwangserkrankte (oder auch Skin Picker) werden manchmal so stark eingenommen von ihren Gedanken und Handlungen, dass sie vergessen: Diese Dinge sind nur ein Teil von mir. Ich selbst bin viel größer. Die Übung soll es wieder ins Gedächtnis rufen.


Ein tolles Team: Die Psychotherapeutinnen Johanna Schriefer (links) und Anna Rotthaus. Foto: Ingrid Bäumer 


Die unerwünschten Gefühle wahrnehmen

Wir befinden uns im kleinen Gemeindesaal der evangelischen Pfarrgemeinde Hamburg-Wandsbek, wo das jährliche Bundestreffen der Selbsthilfegruppen von der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen stattfindet. 50 Betroffene von Zwangsstörungen lauschen fasziniert dem lebhaften Vortrag der Psychotherapeutinnen Johanna Schriefer und Anne Rotthaus: Ist Act eine Therapieform, die Menschen mit Zwängen helfen kann? Was unterscheidet Act von anderen therapeutischen Angeboten, etwa der kognitiven Verhaltenstherapie? „Es geht darum, die eigenen Gefühle zu erkennen, besonders die unangenehmen“, umreißt Johanna Schriefer den großen Rahmen. Dafür greift Act besonders gerne auf Achtsamkeitsübungen zurück, denn die helfen, ins Hier und Jetzt zu kommen.
Es um Akzeptanz, auch einer problematischen Situation. Und um Commitment, also den Einsatz, den man leistet, um sein persönliches „gutes Leben“ zu erreichen.

Schmerz ist lebendig

Die beiden Therapeutinnen liefern in ihrem Vortrag zahlreiche Erkenntnisse, die unmittelbar einleuchten: „Psychische Erkrankungen sind das, was wir tun, um Schmerz nicht zu fühlen“, erklärt Anna Rotthaus. Wir lernen schon früh, über unsere Gefühle hinwegzusehen. „Weine nicht, ist doch gar nicht so schlimm“, sagen die Eltern – und wir bemühen uns, ihren Anforderungen gerecht zu werden. Dagegen sagt Stephen C. Hayes, einer der Hauptvertreter der Act: „In einem Moment des Schmerzes ist genauso viel Leben wie in einem Moment der Freude.“

Sprache verknüpft alles

Die Kunst ist, eigene Gefühle überhaupt wieder zu erkennen. Denn der Mensch hat die Sprache geschaffen und wird jetzt paradoxerweise stark von ihr geformt. Über die Sprache können wir Beziehungen zwischen Dingen herstellen, die gar nichts miteinander zu tun haben. „Was haben die Worte Freund und Kerze miteinander zu tun?“, fragt Johanna Schriefer in die Gruppe. Es dauert nur eine Sekunde, das ruft eine Frau: „Geburtstagskuchen!“ Und so werden auch - leider - Dinge miteinander verknüpft, die uns gar nicht guttun. Schriefer: „Wenn eine Löwin beim Jagen erfolglos ist, setzt sie sich nicht deprimiert hin und sagt sich 'ich bin eine Versagerin'. Sie wartet einfach auf die nächste Gelegenheit.“ Acht von zehn Jagdversuchen sind erfolglos, Scheitern ist die Norm.

Leb dein Leben – auch mit der Krankheit

Die Menschen als sprachbegabte Wesen neigen dazu, alles mit allem zu verbinden und zu vergleichen – meist zum eigenen Nachteil. In der Akzeptanz- und Commitmenttherapie gibt es dazu eine ganze Theorie, die Bezugsrahmentheorie. „Wenn wir immer nach Ursachen suchen, warum wir uns auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, anstatt zu handeln, dann ist unser Leben sozusagen auf Pausetaste“, erklärt Anna Rotthaus. „Act sagt: Es ist wichtiger, das Leben zu leben, wie ich es will, als die Symptome loszuwerden.“ Und das heißt im Zweifelsfall auch, mit dem Zwang gut weiterleben. Und - dieser Satz sorgt für „Aha“ im Publikum -: die eigenen Erfahrungen auswerten, statt auf den Experten zu hören.

Krankengymnastik für die Seele

Für wen eignet sich Act? Die Therapie der ersten Wahl für Zwangsstörungen ist Verhaltenstherapie, aber rund 30 Prozent aller Klienten profitieren nicht davon. Was, wenn Betroffene schon mehrere Therapien durchlaufen haben und der Zwang dennoch nicht weicht? „Für diese Menschen ist Act entwickelt worden“, sagt Anne Rotthaus. Allerdings erfordert Act von den Betroffenen auch Offenheit und die Bereitschaft, sich einzusetzen. „Es geht nicht darum, Erfolg zu haben. Sondern um die Entscheidung, es zu tun und immer, immer wieder zu üben. Act ist wie Krankengymnastik für die Seele.“

Mit dem Zwang verhandeln

In jedem Moment des Lebens kann es zu einer Situation kommen, in der man sich entscheiden kann. Zum Beispiel: Will ich meinem Reinlichkeitszwang nachgehen – und komme dann zu spät? Oder will ich pünktlich zum Treffen mit meiner Freundin kommen – dann wird mein Zwang protestieren. „Machen Sie sich klar, dass es eine bewusste Entscheidung ist“, sagt Johanna Schriefer. „Sie können auch mit Ihrem Zwang verhandeln.“ Etwa so: „Schon gut, Zwang, ich dusche ja. Aber erst heute Abend, wenn ich wieder nach Hause komme.“

Wie könnte so ein Ansatz aussehen, wenn man ihn auf Skin Picking und Trichotillomanie überträgt? Hervorragendes Thema für das nächste Selbsthilfegruppen-Treffen. 

Wenn du jetzt schon eine Idee dazu hast, schreibe sie gerne in die Kommentare.

Leider fasst mein Artikel nicht mal die Hälfte des Vortragsinhaltes zusammen. Er wäre dann zu lang geworden. Deshalb würden wir gerne hier in Köln einen fähigen Referenten/Referentin hören, der/die auch auch zur Anwendung von Act bei Skin Picking etwas sagen kann. Wenn Du jemanden kennst, schick mir doch bitte seine/ihre Adresse. Danke!

Ich bin gespannt! 😃

P.S. in eigener Sache: Der Artikel ist leicht geändert auch in der Zeitschrift "Z aktuell" der DGZ erschienen. Ausgabe 2/2017. Bestellbar über zwaenge.de

Montag, 5. Juni 2017

Juni-News: Treffen eine Woche früher!

Hallo zusammen!

Dieser Newsletter wird sehr kurz. Zwar gäbe es viel zu erzählen und informieren, aber mir fehlt leider die Zeit.

Drum nur zwei Punkte:
  1. Unser nächstes Treffen - eine Woche früher!
  2. Weitere Treff-Termine
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Zu 1. Unser nächstes Treffen - eine Woche früher!


Achtung an alle, die sich die Termine schon lange im Vorhinein eingetragen haben: Wir treffen uns diesmal schon eine Woche früher, nämlich am

Montag, 12. Juni
um 19 Uhr.

Ein letztes Treffen am vertrauten Ort. Bild: www.gesundheitsladen-koeln.de

Grund ist, dass der Gesundheitsladen umzieht - und zwar nach Köln-Mülheim. Unser normales Treffen würde mitten in die Umzugsphase fallen. Darum ziehen wir vor.

Die Adresse ist Venloer Str. 46, Erdgeschoss. Willkommen sind wie immer alle, die von Skin Picking oder anderen körperbezogenenen Verhaltensstörungen wie beispielsweise Trichotillomanie betroffen sind.

Ab Juli treffen wir uns dann voraussichtlich im umgezogenen Gesundheitsladen in Mülheim.

Ich finde es schade, den liebgewordenen Treffpunkt zu verlieren, an dem wir uns so gut aufgehoben gefühlt haben. Aber der neue Gesundheitsladen in Mülheim soll noch größer und schöner sein; außerdem ist er auch sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.


Zu 2. Weitere Treff-Termine


Wir treffen uns prinzipiell immer am 3. Montag eines Monats um 19 Uhr. Die weiteren Termine sind 17. Juli, 21. August, 18. September.

Liebe Grüße von
Ingrid