Ihr Lieben,
wir haben eine sehr, sehr gute Nachricht für euch: Nach knapp zwei Jahren Arbeit geht der
Knibbelstopp in den nächsten Wochen online! Das ist ein Selbsthilfeprogramm der Uni Köln für Skin Picking. Die Selbsthilfegruppe hat in meiner Person daran mitgewirkt. Mehr dazu weiter unten ...
Inhalt:
1. Das nächste Treffen
2. Fange jetzt an aufzuhören: mit dem Knibbelstopp!
3. So geht's bei unseren Gruppentreffen zu: ein Bericht!
4. Weitere Termine
zu 1. Das nächste Treffen der Selbsthilfegruppe ist am
Montag, 19. September 2016
um 19 Uhr im "gesundheitsladen", Venloer Str. 46. Anfahrtsbeschreibung hier:
http://www.gesundheitsladen-koeln.de/index.php?pg=9
Eingeladen sind alle, die an Skin Picking, Trichotillomanie oder einem anderen Body-Focused Repetitive Behavior (BFRB) leiden, zum Beispiel Nägelbeißen. Mehr zu BRFBs erfährst du hier:
https://heilewachsen.org/2016/02/15/ueberblick-ueber-sich-wiederholende-koerperbezogene-verhaltensweisen-bfrbs/
Außerdem eingeladen sind (als Gast und moralische Unterstützung) Familienmitglieder oder Freunde von Betroffenen.
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Ihr Foto habt ihr hier schon öfter gesehen, jetzt könnt ihr sie auch persönlich kennenlernen: Linda Mehrmann |
Besonderheit dieses Treffens: Doktorandin Linda Mehrmann berichtet über ihr Projekt "Knibbelstopp". Das führt mich direkt zum nächsten Punkt:
zu 2. Fange jetzt an aufzuhören: mit dem Knibbelstopp!
Knapp zwei Jahre hat das Team an der Uni Köln am "Knibbel-Stopp" gearbeitet - jetzt geht er online! Beteiligt waren Prof. Dr. Alexander Gerlach (Lehrstuhl klinische Psychologie, Leiter der Hochschul-Ambulanz und psychologischer Psychotherapeut), Linda Mehrmann (Doktorandin Psychologie), Prof. Dr. Antje Hunger (Fachhochschule Düsseldorf), Judith Dücomy (psychologische Psychotherapeutin) und ich (für die Selbsthilfegruppe Köln).
Das kostenlose Onlineprogramm richtet sich an alle, die versuchen wollen, in Selbsthilfe vom Knibbeln weg zu kommen. Im ersten Schritt starten wir schon in wenigen Wochen eine Studie. Sie soll unter wissenschaftlichen Bedingungen herausfinden, ob das Programm auch wirklich hilft. Und dafür suchen wir Teilnehmer.
Deshalb stellt Linda Mehrmann am Montag bei uns den Knibbelstopp im Detail vor. Es wird ein interessanter Vortrag, der nicht nur Infos zur Studie enthält, sonden auch zum aktuellen Stand und zu der Frage, ob die Krankenkassen Therapien bei Skin Picking bezahlen.
Dabeisein lohnt sich also!
zu 3. So geht's zu bei unseren Gruppentreffen - ein Bericht :-D
Beim letzten Treffen waren auch zwei junge Frauen aus Berlin dabei – das
alleine freut mich natürlich schon. Aber ebnso begeistert bin ich
darüber, dass sie über das Treffen in der WhatsApp-Gruppe der Skin Picker
berichtet haben.
Die beiden – nennen wir sie mal Lena und Marie – haben mir erlaubt, ihr
Feedback hier zu veröffentlichen. Interessant vor allem für Leute, die noch nie
bei einem Gruppentreffen waren und gerne mal wissen möchten, wie so etwas
abläuft!
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Bunt und oft auch lebhaft: unsere Gruppentreffen! Bild: CC0, Geralt |
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Lena schrieb:
"HeyHey :)
Das ca. 2-stündige Treffen der Selbsthilfegruppe am Montagabend war super cool!
Wir waren ca. 20 Leute (mehr als jemals zuvor anscheinend da waren) und es
waren bis auf einen Mann (der auch nur zu Besuch da war und selbst nicht unter
Dermatillomanie, sondern Zwängen leidet) ausschließlich Frauen da. Allerdings
waren viele Altersklassen vertreten und es ist nach anfänglichen Unsicherheiten
ein super Austausch entstanden, den Marie super durch das Vorlesen ihres
Kapitels für das bald erscheinende Buch eingeleitet hat. ☺ Ich fand es super
interessant, mal so viele Betroffene tatsächlich auch live zu treffen und sich
über die Problematik auszutauschen. Es war auch eine junge Frau mit Trichotillomanie
da und es gab so viele unterschiedliche Erfahrungen, aber auch so viele Dinge,
die alle zu kennen schienen. Mir ging der Abend viel zu schnell rum und ich
würde jetzt eigentlich gerne jeden Monat zu den Treffen gehen, allerdings muss
ich schauen, ob sich das tatsächlich einrichten lässt.
Inhaltlich wurden von verschiedenen Leuten immer wieder neue Fragen in den
Raum gestellt. (z.B. "Wie ist das bei euch? Habt ihr mehr ‚gute Phasen und
die schlechten sind selten‘ oder anders herum?" / "War eure Mutter
auch ein Problem für euch?" / "Wie macht ihr das, euch nicht zu
Schminken?" (überraschenderweise war tatsächlich fast niemand in der Runde
geschminkt) /...)
Auch haben wir kurzzeitig über stationäre Aufhalte gesprochen und auch viel,
wie einzelne mit der Problematik umgehen oder welche Behandlungsmethoden schon
ausprobiert wurden und welche Erfahrungen damit gemacht wurden (Hypnose,
Therapie, Meditation, Achtsamkeit, ...). Aber am Anfang eben auch über
Reaktionen der Umwelt/Mitmenschen und Theorien aufgestellt, wie Skin Picking
überhaupt zustande kommt bzw. was Auslöser sind, wo man bzgl. der Behandlung
ansetzen kann/sollte.
Ich fand es großartig, wenn auch irgendwie befremdlich, tatsächlich mal so in
"live" darüber zu sprechen (und dann auch noch mit so vielen
Menschen, die man ja eigentlich gar nicht kannte.
🙈)
Dazu eine Rückmeldung in der WhatsApp-Gruppe:
"Danke Lena für deinen ausführlichen Bericht☺ Klingt sehr interessant,
wäre gerne dabei gewesen. Mich wundert, dass so viele ungeschminkt sind. Ich
gehe ja nicht mal ungeschminkt zum Briefkasten
😳 es sei denn es ist
dunkel ..."
Lenas Antwort:
"Ja, ich hab mich auch gewundert. Aber es ist ja
nicht bei allen das Gesicht betroffen und es geht ja jeder auch unterschiedlich
damit um. Es war aber schon schräg, weil es tatsächlich nur eine Betroffene
gab, bei der man auch was "gesehen" hat. (Selbst ich hab aktuell
keine Wunden im Gesicht und konnte damit nicht herhalten, aber darum geht es ja
im Endeffekt auch nicht
🙈). Ich fand es aber
gerade auch spannend, weil eben auch ältere Frauen dabei waren (also ich
schätze mal so um die 40 oder so) und der Austausch war einfach super. :) Ich
hoffe ich kann es finanzieren jetzt öfter hinzufahren, aber das kostet ja nicht
nur Geld, sondern auch Zeit. Hm. Wo seid ihr alle nochmal? Vielleicht müssen
einfach noch mehr Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen werden. (Es haben sich
am Montagabend auch ein paar vernetzt, um eine weitere Gruppe in Stuttgart zu
gründen! ;D)"
Marie schrieb:
"Das Treffen in Köln hat auch bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen.
Wie bei so vielen Dingen im Leben habe ich auch vor diesem Treffen keine
Erwartungen gehabt und wurde deshalb sehr positiv überrascht. Bis zuletzt hatte
ich meine Zweifel, ob ich dieser Gruppe wildfremder Leute meine doch sehr
persönliche Geschichte teilen wollte.
Ingrid, die Leiterin der Selbsthilfegruppe, bat mich in einer Mail, aus dem
Buch "In meiner Haut- Leben mit Skin Picking" vorzulesen. Wenn ich
ehrlich bin, habe ich das Kapitel nur geschrieben, weil ich wusste, dass es
anonym bleiben würde und weil ich es niemals jemandem vorlesen würde.
Pustekuchen. Doch irgendwie war es im Endeffekt doch gut, dass ich so schlecht
bin im nein sagen und das Eis zu den anderen Betroffenen war nach dem Vorlesen
schnell gebrochen. Viele meinten, dass sie Teile davon genauso auch fühlen
würden oder genauso erlebt haben.
Das war es mir wert, denn genau dieses Gefühl habe ich auch oft, wenn jemand
über Skin Picking schreibt und dann fühle ich mich gleich so viel normaler.
Wenn also mein Kapitel irgendjemandem dabei hilft, seine Gefühle besser
akzeptieren zu können und sie nicht als abartig abzustempeln, dann bin ich sehr
glücklich damit.
Außerdem habe ich mir Mühe gegeben, ein paar Vorschläge zu machen, wie das
Umfeld reagieren kann. Was uns hilft und was uns ganz im Gegenteil weiter
runterzieht. Ein Mädchen meinte, sie würde das Buch ihrer Mutter zum Lesen
geben und auch das hat sich wie eine Bestätigung angefühlt, dass diese
Überwindung, einen Teil meiner Geschichte öffentlich zu teilen, mit Sicherheit
helfen wird und sich somit gelohnt hat.
Vor allem der humorvolle Umgang mit Skin Picking bleibt mir von diesem Abend
im Gedächtnis und die positive Ausstrahlung, die so viele Menschen in dieser
Runde hatten. Jede von uns leidet in gewisser Weise und manche haben durch
Dermatillomanie riesige Hürden im Leben gehabt oder haben sie momentan. Es
sammeln sich da ganz schön viele unterschiedliche Lebensläufe und
Lebenssituationen. Es war ganz unterschiedlich, wie lange die Betroffenen schon
wussten was genau Skin Picking eigentlich ist.
Wir haben herzlich gelacht, als eine Frau meinte, dass sie es so absurd
finde, wenn sie bei einem Pickel oder einer kleinen Hautunreinheit sofort
denkt: "Ich muss das jetzt wegmachen, dann sieht es besser aus. Das wird
sicher funktionieren!" Und wie sie sich jedes Mal wundert, dass es doch
wieder nicht klappt und wie alles immer noch viel schlimmer und offener und
größer wird, je mehr sie ihre Haut bearbeitet. Wie wahr, wie wahr! Und wie blöd
eigentlich, immer wieder den gleichen Gedanken zu haben, wenn man doch längst
weiß wie es jedes Mal endet.
Außerdem mussten wir echt lachen, als eine junge Frau meinte, dass sie seit
sie Skin Picking hat nur noch nette und verständnisvolle Freunde hat und die
Männer davor alle nur komisch waren. Wir scherzten, dass Dermatillomanie schon
von vorneweg diejenigen aussortiert, die ein Problem mit unperfekter Haut
haben. Das trifft natürlich nicht auf alle zu, aber in vielen Fällen wohl
offensichtlich doch.
Es ging auch viel um Achtsamkeit und darum, dass es jahrelang dauern kann,
bis man einen gesunden Zugang zu seinen wahren Bedürfnissen findet und auf eine
gute Art und Weise mit Stress umgehen kann, ohne in alte Muster zurückzufallen.
Wir waren uns einig, dass der Weg zu mehr Achtsamkeit und Selbstakzeptanz nicht
einfach ist, aber dass man ihn dennoch gehen muss. Das hört sich jetzt nach Psycho-Blabla
an, aber mir leuchtet das total ein. Ich selber bin so gut darin, meine Bedürfnisse
komplett auszublenden oder Signale meines Körpers einfach zu übergehen und mich
damit total zu überfordern.
Was ich mitgenommen habe ist, dass ich negativen Gefühlen, oder Angst mehr
Platz geben möchte und sie einfach mal zulasse für einen Moment. Ängste können
sich langsam abbauen und negative Gefühle können wieder verschwinden, aber das
ständige innerliche oder auch äußerliche Wegdrücken (wie es eine Frau sehr
treffend beschrieben hatte) ist auf Dauer überhaupt keine Lösung.
Eine andere wichtige Erkenntnis war, dass ich mir öfters Dinge sagen möchte
wie: "Das ist ok so, das darf da bleiben", wenn mich eine Stelle auf
meiner Haut stört. "Ja ich sehe das, aber ich lasse es so." Ist ein
bisschen verrückt, aber in meinem Kopf sind so oder so Stimmen also lasse ich
lieber die guten Stimmen in meinem Kopf laut werden.
Abschließend kann ich sagen, dass ich von diesem Treffen am Montag in Köln
mit ein paar Antworten und Ideen und obendrein vielen Fragen weggegangen bin.
Ich wollte zum Beispiel den Mann, der als Gast von der Zwangselbsthilfegruppe
Hamburg da war, fragen, wie sich denn ein Zwang genau anfühlt. Ich wollte
fragen, ob die anderen eine Erleichterung nach dem Knibbeln spüren, denn bei
mir ist danach viel mehr Druck da als davor und nur in kurzen Phasen während
des Bearbeitens spüre ich Erleichterung. Ich möchte wissen, wie andere den
Trance-Zustand unterbrechen, wie sie sich da rausholen. Außerdem möchte ich
mehr darüber erfahren, wie man konkret in den Millisekunden, bevor man handelt
und die Haut bearbeitet, den Kopf einschalten kann und die Handlung, bevor sie
angefangen hat, bewusst unterbindet.
Ich kann es wirklich empfehlen, die Reise nach Köln auf sich zu nehmen und
einfach mal vorbei zu schauen. Jeder ist willkommen, ob als ruhige Zuhörerin
oder aktive Fragestellerin oder gar Erzählerin. Es wird von niemandem erwartet,
seine Geschichte preiszugeben und man teilt nur, was man wirklich teilen
möchte. Alle Frauen waren so unterschiedlich und doch hat uns sehr viel
verbunden. Ich wünschte, ich könnte noch einmal vorbeischauen, aber das klappt
wohl erst wieder in einem Jahr."
Vielen Dank an Lena und Marie für dieses tolle Feedback!
Übrigens: Wer Mitglied der
WhatsApp-Gruppe für Skin Picker werden möchte,
erfährt mehr dazu im Dermatillomanie Forum. Hier der Link:
http://f3.webmart.de/f.cfm?id=3201888&r=threadview&t=4007835&m=16181385#16181385
Das Buch, von dem die Rede ist, heißt übrigens
"In meiner Haut. Leben mit Skin Picking" und erscheint in wenigen Wochen beim Mabuse Verlag! Dazu gibt's dann eine gesonderte Info ...
4. Weitere Treff-Termine der Gruppe
Immer am dritten Montag eines Monats, immer um 19 Uhr. Das heißt konkret:
17. Oktober, 21. November, 19. Dezember.
Fragen, Kommentare und Feedback? Gerne an dermatillomanie(at)gmx(punkt)de.